ein Genre für Frauen

Bekanntlich sind Frauen in der Malerei, und zwar bis weit in die Neuzeit hinein, eine Seltenheit. Das hat natürlich nicht zu tun mit einer malerischen Minderbegabung des weiblichen Geschlechts, sondern mit einem männlich geprägten Rollenverständnis, das Frauen aus der Malerei ausschloss, als diese noch eher als ein Handwerk eingeschätzt wurde. In keiner der männlich dominierten Zünfte und Gilden hatten Frauen etwas zu suchen. Aber Malerei war auch dann noch eher Männersache, als die Malerei sich zu einer Kunst emanzipiert hatte, in der es auf Invention und andere „höhere“ Fähigkeiten ankam. Es scheint, dass nicht nur das Publikum durch weibliche Malereinnen befremdet war, sondern dass auch die Maler selbst eben doch am liebsten unter sich waren. Die Frau war bis weit ins 20. Jahrhundert hinein eher die Geliebte, das bevorzugte Modell oder eben die anregende und inspirierende Muse. Das gilt noch für so bedeutende Maler wie Max Ernst, Kandinsky und viele andere dieser Generationen.
Die Ausschließung der Frauen hat auch zu tun mit der männlich ausgerichteten Organisation des Malwesens. Immerhin nahm die französische Akademie bereits 1648, wenige Jahre nach ihrer Gründung, die ersten Frauen auf. Doch akzeptiert wurden nur Malerinnen, die sich im Fach Stillleben ausweisen konnten und die klug genug waren, sich darauf auch zu beschränken, um bei den männlichen Kollegen keinen Anstoß zu erregen.
Im achtzehnten Jahrhundert fanden auch in Deutschland weibliche Malerinnen eine gewisse, allerdings ebenfalls auf das Stilllebenfach beschränkte Anerkennung. Eine gewisse Katharina Treu erlangte sogar eine Titularprofessur in Düsseldorf, und das bereits im Alter von 33 Jahren. Etwa zur selben Zeit erlangten Stilllebenmalerinnen auch in Holland einen gewissen Namen und Applaus.
Zu nennen wäre hier z.B. Maria van Oosterwijck, von der ein Vanitas-Stillleben in Wien im Kunsthistorischen Museum hängt.
„Die Modelle des Stillebens garantierten zu Zeiten, in denen man Frauen von Kunstschulen fernhielt, weil man sie nicht im Aktsaal duldete (?), wenigstens in dieser Sparte Möglichkeiten des Objektstudiums. Lob gipfelte dabei gern in Phrasen wie: Man würde sagen, wahrhaft das Werk eines Mannes! Wertmaßstäbe, die vom Primat des Mannes in der Kunst ausgehen, prägen auch Diderots Urteil, wenn er einem Gemälde von Anne Vallayer-Coster bescheinigt, es sei zwar kein Chardin, aber deutlich stärker als von einer Frau.“ *

Wir fragen uns, warum ausgerechnet Stillleben – und nicht z.B. Landschaften oder etwa Portraits mit Weiblichkeit verbunden oder für „kompatibel“ mit der ‚Natur‘ einer Frau gehalten wurden.
Es wird vermutet, dass „Häuslichkeit und die Blume als ein Sujet, das man ohnehin in die Nähe des Weiblichen rückte“, eine weibliche Betätigung in diesem Feld, gewissermaßen als eine Form weiblicher Haus- und Handarbeit, unanstößig machten.
Man kann das Arrangieren eines Stilllebens als ein Anrichten verstehen, das nun in der Tat – jedenfalls im Rahmen von Gastlichkeit und Bewirtung, schon im Altertum Aufgabe der Hausherrin und des weiblichen Personals war. Dabei ist noch einmal an die Frühform des Stilllebens zu erinnern, an die Xenien, jene Gastgeschenke des Gastgebers an seine Gäste, die von den allerersten Stilllebenmalern ins Bild aufgenommen wurden. Diese Wirtsgaben wurden zwar vom Herrn das Hauses verantwortet, aber ihre Vorbereitung und Durchführung unterstand der Hausherrin, die als Hausfrau in allererster Linie für die Schaffung einer angenehmen häuslichen Atmosphäre zuständig war. Ihr oblag auch die Zusammenstellung und Dekoration dieser antiken Geschenkkörbe, die eben Xenien ** genannt wurden und den Gästen, die oft mehrere Tage im Hause weilten, den Aufenthalt reizvoll und angenehm machen sollten.

Die Beschränkung der Frau auf jenen Bereich der Kunst, der sich gefahrlos für das schwache Geschlecht im behüteten häuslichen Bereich ausüben ließ, wirft ein Licht auf Ansprüche, welche die Männerwelt sowohl an die Kunst stellte, wie auch an das weibliche Geschlecht. Übrigens wäre in diesem Zusammenhang Ruhm, den sich eine Malerin vielleicht über ihren Wirkungskreis hinaus hätte erwerben können, einem Durchbrechen der vier Wände gleichgekommen und hätte eine Gefährdung der männlichen Vormacht in der öffentlichen Sphäre bedeuten können, die von Männern beherrscht und kontrolliert war. Hier hatten Frauen nur in Ausnahmefällen Zugang und Rang, als Kurtisanen und „Escort“, oder durch Titel und Erbfolge im politisch-repräsentativen Bereich.

*) König et al., Stilleben, 65

**) xenia, bzw. dora xenia: „Gastgeschenke, Geschenke, welche der Wirth dem Gaste gibt und welche gewöhnlich in Speise und Trank und Nachtlager bestehen“, bereits in der Odyssee, Od.14, 404 u.a. erwähnt. Pape, Hwb. s.v. xenios

ein anderes Verständnis der Xenien findet sich im Brockhaus von 1896:“eigentlich die kleinen Geschenke, welche die Alten nach der Mahlzeit den Gästen mit nach Hause zu geben pflegten; Martial gab dem 13. Buch seiner Epigramme diese Überschrift. Auch Goethe und Schiller nannten die in Schillers ‚Musenalmanach für 1797‘ gegen die Erbärmlichkeiten und Verkehrtheiten der zeitgenössischen Litteratur gerichteten Epigramme in satirischem Sinne Xenien“.

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