Vor mir liegen Buchstaben: der 5. März.
Bin ich das selber?
Dann wäre ich mit Bleistift geschrieben, in einer ungelenken Schrift, in einer ungelenkten Schrift.
Das rührt mich.
Narzissen, mit Neuronenstiften gemalt. Sie haben ihre natürlichen Farben zurückerhalten, weiß und orange.
Und das zu dieser Jahrszeit, mit ihren Schwebungen, den ersten Aufschreien der Lerchen überm Acker, mit ihren Sickergruben und ihren Siedelfeldern. Und es gibt niemanden weit und breit, der mir erklären kann, was das ist, was ich da meine.
Das Bild des Zaubers, in dem die Dinge liegen, ist unscharf.
Vielleicht existiert kein Bild davon, sondern sie sind es selbst, der Zauber, und das Bild wäre reine Täuschung.
Aber ich glaube nicht an Täuschungen. Ebenso gut könnte ich an Gespenster glauben.
Ich drücke die Taste „Escape“ und verlasse den Bildschirm.
Wieder einmal auf Deck brühe ich Tee auf.
Beim Rühren Erinnerung an ein Kloster in Nepal, dann der Grundriss der Kathedrale von Chartres, ein Steinboden, eine Salzhalde im Golf von Lyon und weitere Restmuster, die sehr schnell wieder verblassen. Sie haben mit den Reflexen zu tun, die das Meer rundherum auf die Deckdielen malt.
Der Tee, eine Mischung aus Endivien und lachsfarbenen Trompetenbaumblüten, verdampft ohne Rückstand in dünnwandiger Schale. Wie rasch geht das alles vonstatten! Bleibt keine Zeit, die Richtungen des Geschmackes zu sichern.
Von der Decke des Decks, über dem Sitzenden, hängt Lackmuspapier in die Tasse herab. Die unglückliche Version eines Fliegenfängers, mit dem die Dampfkringel spielen, wie in einer Nische der Wind mit einer Buddelschiffahne.
Noch im Sitzen, im Genuss des vollen und wärmenden Lichts, das aus bauchigem Glashimmel fällt, fährt der Korkstopfen mit ohrenbetäubendem Plopp aus dem Hals.
Im Entweichen der Luft zeichnen sich die Schatten immer vager werdender Erscheinungen ab, das Nahen schwimmender Eisberge und Reif, der sich in abenteuerlich glitzernden Gebilden auf dem Rand der erkaltenden Teetasse festsetzt.
Ein plötzlich aufgetauchter Gedanken. Er lässt sich nicht wegwischen. Er weiß genau, wovon er redet und an seiner Wirklichkeit kann nichts und niemand mehr rütteln.
Ein Reisebüro ist das Herzstück meiner Gedanken. Von dort, von zwischen aufgeschlagenen Kursbüchern, gehen alle Ferngleise und Vogelfluglinien ab. Doch die Landkarten und Anschlüsse, die Zeittafeln und Entfernungsangaben sind längst überholt und veraltet. Das Büro verwaist. Ich bin ja immer auf Reisen. Trotzdem: die alten Verbindungen halte ich ein. Das nötigt, manche Strecken zu Fuß zurückzulegen, auf dem Schotter alter Bahndämme, wo die Geleise rostrot und zermürbt sind, wo zwischen morschen Schwellen Vögel ihre Nester und Schwalben ihre Löcher gebohrt haben.
Kuckuck und Maulwurf treffen sich nach Einbruch der Dämmerung und gehen, einander grüßend, auf Drähten spazieren, die einst den mechanischen Arm auf- und abklappen ließen.
Es hat den Anschein, als wäre seither viel Menschliches in die allergewöhnlichsten Tiere geschlüpft. Die Rückkehrer werden staunen, was dann noch in den Leuten abgeblieben sein wird. Vielleicht wird dann nur noch Engel und Steine, Boviste und Knoblauchzehen in ihrem Innern gedeihen. Ihr andächtiges Dasein bewegt die Reisenden, die flüchtig hereinschauen und mit wehenden Kleidern immer noch aus einer Ferne in die andere eilen, aus einem Fernweh ins andere stürzen.