Philoxenie

Hebräer 13,2:

„aber vergesst nicht, auch zu Außenstehenden freundlich zu sein; denn indem sie das taten, haben manche ohne ihr Wissen Engel beherbergt“[1]

„Do not forget to entertain strangers, for by so doing some people have entertained angels without knowing it“[2]

In dieser Weisung lautet der Zentralbegriff im Urtext philoxenia.

Dem Sinn nach Freundlichkeit gegenüber Außenstehenden, sowie Bereitschaft, Fremde bei sich aufzunehmen.

Die gängige Übersetzung Gastfreundschaft, bzw. hospitalité, Gastlichkeit, hospitality unterschlägt das ausschlaggebende Moment der Fremdheit, um deren Akzeptanz es geht.
Gastfreundschaft für philoxenia überspringt das abstoßende, bzw. renitente Element im Fremdsein. Die Bezeichnung tut so, als sei der/die/das Auswärtige immer schon geladen, von vornherein in den Status eines Gastes erhoben.

Aber das ist keineswegs so.

Zunächst begegnet die Person, die als xenos gekennzeichnet wird, als Eindringling, als Störenfried, als Fremdkörper.

Von dort zum Status des Gastes ist es ein unerhörter Schritt.

Wenn von Gastlichkeit und Gastfreundschaft gesprochen werden kann, ist der Außenstehende, egal ob Ausländer, boatpeople, Außenseiter, Flüchtling, borderliner, Emigrant, Asylant usw. bereits als gleichwertig akzeptiert.

Die Bereitschaft, eine Person, die „nicht zu uns gehört“, trotzdem zuzulassen in die eigenen Reihen, in den eigenen Kreis, setzt eine Beziehungsfähigkeit voraus, die keineswegs selbstverständlich ist. Sie wird in den intimen familialen Zusammenhängen, im Kontext von Sippe, Heimat, Stamm, Volk und Nation nicht ohne weiteres gelernt.

Die in diesen Kontexten und durch diese Kontexte gegebenen, „natürlich“ erscheinenden Grenzen und Bindungen sind nicht leicht zu übersteigen.
Der, die und das Fremde fühlen sich unangenehm an, sie passen nicht, wirken abweisend, machen selbst unpässlich, inbesondere dann, wenn sie, diese Zudringlinge, keine zuvorkommende Anpassungsbereitschaft erkennen lassen.

Die Beziehungsaufnahme zu Fremdartigen ist schwierig.
Sie übt ein Transzendieren, ein Hinweggehen über Tellerränder und Horizonte.
Dabei trifft man, wie der Hebräerbrief in Erinnerung bringt, unter Umständen auf Wesen, die transzendenten Bereichen angehören.

Es kommt zu erstaunlichen, insgeheim bereichernden Begebenheiten oder Begegnungen.

Die aus der Fremde eintreffenden Wesen werden im vorliegenden Text Weisung Engel genannt.

Das sind Boten, Überbringer von Nachrichten aus Sphären und Dimensionen, die einer Höhe oder Tiefe angehören, in die der normale Blick nicht reicht, die das gängige Wahrnehmen und Betrachten nicht auszuforschen vermag.

Entrückt. Entzogen.

Entscheidend ist dabei, dass sie exogen und endogen zugleich sind: der Fremdheit, die in der anderen Person oder Sache entgegentritt, entspricht ein innwendiger Fremdheitskern und ein von dort ausgehendes Befremden. Man könnte es bezeichnen als eine Art „intimes Erschauern“.
Eine Regung oder Anwandlung, in der ein Moment von Kälte durchschlägt. Befremdung, Erstarrung, Vereisung, sich verkriechen – das sind gängige Reaktionen auf Konfrontationen mit Fremdartigkeiten.

Dabei enthält das Fremde eigentlich eine Mitteilung, die das Vertraute nicht geben kann.

Eine höchst vertrauliche, äußerst intime Mitteilung.

Abraham hat sie erhalten, der deswegen, wie der Verfasser des Hebräerbriefs an anderer Stelle in Erinnerung ruft, als „Vater des Glaubens“ gilt.


[1] Das jüdische Neue Testament, Übersetzung: David H. Stern

[2] Holy Bible, New International Version

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