Rebus: ein Begriff aus dem Rätselwesen. Der Sache nach eine Zusammenstellung von Bildern und Zeichen, die einen allgemeinen Gedanken, eine gängige Redewendung, ein bekanntes Sprichwort oder dergleichen verschlüsselt darstellen. Der Sinn des Gesamtgebildes ergibt sich nicht aus präzisen und korrekten Einzelbestimmungen, sondern aus einer Summe oder Konstellation von unbestimmten, gleichsam schwebenden Andeutungen.
So kann zum Beispiel das Beiwort „ganz“ durch eine gemalte Gans ersetzt werden. Die Abbildung eines Bettes und eines Stabes mit l dazwischen drückt das Wort Bettelstab aus.
„Der Ausdruck Rebus rührt von Fastnachtscherzen der studierenden Jugend her, die, besonders in der Picardie um 1600, solche Bilderrätsel über komische Vorfälle zusammenstellte und diese Zeichenspiele de rebus quae geruntur („über die Dinge, die geschehen“, d.h. Tagesgeschichten) nannte. Die älteste Sammlung von Rebus in Deutschland ist Bodenehrs „Geistliche Herzens-Einbildungen in 250 biblischen Figursprüchen angedeutet“, Augsburg 1685.“[1]
Webster’s Dictionary (um 1900), aus heutiger Sicht übrigens eine wunderbare Sammlung von Pictorial Illustrations und winzigen Stahlstichen, die sich beim flüchtigen Durchblättern wie Rebusse lesen und anschauen lassen – denn beides gehört hier irgendwie zusammen – gibt als Definition: „enigmatical representation of words by figures; hence, a peculiar form of riddle made up of such representations“.
Das ältere Englisch kennt sogar eine Verbalform, to rebus, im Sinne von Rätsel aufgeben, um den Scharfsinn oder die Phantasie einer Person auf die Probe zu stellen. „Is there any man has rebused your worship“, heißt es irgendwo in einem der Stücke von Shakespeare.
Sonderbar und merkwürdig ist die Entstehung und Herkunft dieser Rätselgattung und Frühform visueller Poesie aus dem nordfranzösischen Raum, aus der Picardie.
Geistlichkeit, Karneval und spezifische, durch Landschaft und Regionalkultur gegebene Bedingungen verweben sich in diesem Rätselphänomen. Spiritualität und esprit, weltliche oder auch häretische Tendenzen treten zusammen und erschaffen jene Konstellationen aus Elementen, die den unterschiedlichsten Zeichensystemen entnommen sind, sowie aus Bildstücken und –fragmenten, die den eigentümlichsten halb privaten und halb öffentlichen Bildwelten zu entstammen scheinen.[2]
„Jeu d’esprit qui consiste à exprimer, au moyen d’objets figurés ou d’arrangements, les sons d’un mot ou d’une phrase entière, qui reste à deviner. »[3]Dann aber auch « Équivoque[4], mot pris en un autre sens que celui qui est naturel. Ne parler que par rébus. »
Und am Ende schließlich Rébus als schlechtes Wortspiel, als übler Scherz: „Mauvais jeu de mots, mauvaise plaisanterie.“[5]
Hier handelt es sich dann offensichtlich um Abweichungen vom guten Ton oder um pikante, vielleicht Sitte, Anstand oder das Ehrgefühl einer Person verletzenden „Tagesgeschichten“. Solche Verletzungen können auch religiöse Gefühle oder den moralischen Kodex einer Gesellschaft betreffen. Es scheint, als ob das Genre der Rebus(se) zumindest in seinen historischen Anfängen dazu diente, Kritik an herrschenden Zuständen versteckt unterzubringen, wie überhaupt die satirische Form, die als literarische Gattung dem Rebus am stärksten entspricht, in subversiver Praxis gerne eingesetzt wurde. Und es liegt auf der Hand, dass diese Art ernster und beißender Späße, weil tiefsinnig und leichtmütig zugleich, in den ausgelassenen Zeiten von Fasching, Fasnet und Karneval besonders gerne und häufig geübt bzw. ausgespielt wurden.
[1] Brockhaus aus dem Jahre 1896, s.v. „Rebus“
[2] die Picardie grenzt im Norden an Flandern und die späteren Niederlande. In diesen Regionen nahmen im ausgehenden Mittelalter die häretischen Bewegungen der Beghinen und Begarden ihren Anfang. Die Herkunft dieser Namen sind ungesichert. Vielleicht erinnert Picarden (für Begarden) an die einstige Heimat dieser freigeistigen und freisinnigen religiösen Gruppen.
[3] Petit Littré, s.v. «Rébus » “Geistesspiel, das darin besteht, mittels figürlicher Objekte oder Arrangements, den Wortlaut oder Klang eines ganzen Satzes darzustellen, die erraten werden sollen.“
[4] der Begriff äquivok bedeutet soviel wie mehrdeutig, doppelsinnig, dem Wortsinn nach gleichstimmig. Es verweist auf das Phänomen, dass unterschiedlich geschriebene Worte – wie ganz und Gans – sobald sie gesprochen werden, nicht mehr zu unterscheiden sind. Was für bestimmte Worte gilt, gilt dann auch für Zeichen und Bilder in einem weiteren Sinne.
[5] Petit Littré, ebenda, „schlechtes Wortspiel, schlechte Belustigung“.