Dialog über Kosmographie

Originalaufnahme eines Gesprächs (Pseudolog),

geführt an drei Tagen im Klinikum Köthenwald 1995

zwischen Hans-Dieter Stoewer und Dietmar Becker

veröffentlicht in der Künstler-Edition „Kosmografien“, Berlin:

Hybriden-Verlag 1995

  

Dialog über Kosmographie

 1. Tag 

Becker: Kosmographie – kann man darunter etwas verstehen?

Stoewer: Kosmos ist die Lehre vom All.

Becker: Was ist an Einzelheiten daraus erkennbar?

Stoewer: Grundsätzlich. Das Weltall wird bestimmt von Wesen, die im Himmel vorkommen. Der Kosmos ist die Anschauung der blonden und schwarzen Gestalten.

Becker: Bestimmende Wesen. Über was für Eigenschaften verfügen die?

Stoewer: Sie erscheinen in den Eigenschaften von Puppen oder embryonal. Die Leere erzeugt sie. Flügel haben sie nicht, aber große Zusammenhänge kommen aus ihnen zustande. Unter ihnen ist die Sieben eine Zahl, in den sieben Raben verkörpert. Die Acht wäre ebenfalls erwähnenswert, weil acht Amerikaner und ebenso viele Schokoladentorten zur Ausstattung gehören.

Becker: Also Zahlen …

Stoewer: Null ouvert und Grand werden gespielt. Sie sind Grade auf der Spielskala, ebenso wie Eröffnen und Reizen aufeinanderfolgende Bewegungen ausdrücken, aus denen sich weitere Ketten und Folgen ergeben.

Becker: Also Zahlenspiele im Großen. Halten Sie die Null für ein Prinzip?

Stoewer: Nein, es ist recht interessant, nach zahlreichen Schweinebraten und Rotkohl sowie Kartoffelsalaten mit Würstchen zu forschen, um dabei sogar auf Krapfen mit Füllung zu stoßen.

Becker: Interessant. Da hätte die Zahl Null die Leere als Füllung. Glauben Sie, dass der Kosmos in Zahlen Gestalt annimmt oder annehmen könnte? Und wenn ja, wie?

Stoewer: Ja, die Gestalt des Weltalls. Eine Kosmographie. Darin wird beschrieben, wie der Mensch dem Kosmos naht und daraus hervorgeht. Dabei bedient er sich der Lebewesen, die seit jeher aus dem Kosmos stammen. Sie sind alle zum Kaffee eingeladen. Die Sprache unter ihnen ist rosa und lässt Gestalten aus dem Leben erahnen. Anschließend werfen sie ihre Formen ab und nehmen von anderswoher neue auf. Ebenso die abgeworfenen Formen. Auch sie saugen sich wieder voll.

Becker: Formwechsel als Stoffwechsel. Lassen sich diese Formen auf einen gemeinsamen Ursprung zurückverfolgen?

Stoewer: Ja, sie sind dem Kosmos gleich oder ähnlich, insofern dieser schreibt und liest, Singspiele verfasst und Tragödien betrachtet. Kaffeeähnlich ist ihr Genuss, ein Gedicht, wenn man bedenkt, dass er Krönung heißt. Dazu gibt es Orthographie mit Krapfen, Makronen und Schnecken.

Becker: Richtig, kein Kosmogramm, in dem nicht Lesen und Trinken, Speisen und Schreiben vorkommt.

Stoewer: Ja. Außerdem ist die Leuchtfarbe Eva den ersten Menschen mit auf den Weg gegeben worden. Und plötzlich war es Tag und Nacht. Der Vollmond schien. Die Sonne stand als leuchtender Punkt im Universum.

Becker: Die Himmelskörper als Leuchtpunkte und Lichtkugeln. Und wie sah es da mit der Hohlfigur Null aus?

Stoewer: Der volle Mond verbarg sich in einem Hof. Das wirft Fragen auf, die mit Öffnungen zu beantworten sind. Ein Hof wie der des Mondes wird gekennzeichnet durch offene Fenster. Sie sind über die ganze Fläche verteilt und blicken fabelhaft in die Welt der blonden und schwarzen Gestalten.

Becker: Könnten Sie diese Ansicht näher beschreiben?

Stoewer: Ganz einfach Augenmuster. Sternmuster, die Licht hin und her werfen. Wie Sehschlitze. Auch Sardinenschwärme blinken so. Praktisch überall.

Becker: Wie wird Ihnen so etwas sichtbar? Teleskopisch? Oder sehen Sie es wie Reflexe?

Stoewer: Eine Angelegenheit der bestimmenden Wesen. Zweierlei ist zu beachten, wobei ein Drittes hinzukommt. Erstens: die Blondheit. Zweitens: die Schwarzheit. Als drittes kommt die Brünette hinzu. Bei den Brünetten ist es so, dass sie täglich hundert Ereignissen nachspüren und sie notfalls ins Werk setzen. Dann erheben sie sich darüber mit aufgeblasenen Backen.

Becker: Fällt Ihnen sonst noch ein kosmisches Elementarwesen ein?

Stoewer: Das blaue Licht. Der blaue Engel., der daraus ist, befasst sich mit einer Novelle, die gespenstisch im Licht steht, wenn in Stralsund, Wismar und Charlottenburg die Lampen ausgehen. Eine verfilmte Geschichte. Marlene Dietrich ist siebzig Jahre alt und wohnt in einem Mietshaus in Berlin. Es gibt viele blaue Engel in der Welt. Manche sind an der Tagesordnung. Sie werden Gegenstand von Diskussionen und kühnen Abhandlungen russischer Lehrer. Es ist wunderbar, wie aus der Bläue der Lichtsubstanz reihenweise Schatten hervortreten, die dem genau entsprechen.

Becker: Nachtschatten, denen wir dann auch im Pflanzenreich begegnen, nicht wahr? Tabak, Tomaten, Tollkirschen und Kartoffeln, giftig und essbar, ganz nah miteinander verwandt. Neulich habe ich für Geld Kartoffel gehört, nicht wie sonst Kohle, Knete, Moos, sondern Kartoffel.

Stoewer: Ja, ein hervortretendes Nachtschattengewächs. Eine hervorragende Speise: die Knollen sind püriert und als Puffer aus der Pfanne besonders schmackhaft. Sie vermehren sich unter der Erde und blühen in der warmen Zeit überirdisch. Dann trocknet das Kraut ab und nährt Herbstfeuer. Geld kann wie Kartoffelschnaps sein.

  2. Tag 

Becker: Glauben Sie, dass wir – unter uns- aus der Physik eine Kosmographie gewinnen könnten?

Stoewer: Physik ist Lehre, von den Körpern her zu verstehen, in denen sie entwickelt wird. Im Moment des Entstehens eines neuen Teilchens mustert sich die Welt. Fermi oder Capra ist der Impuls und der Ort eines Teilchens, das gleichzeitig bestimmt wie eine Maschine arbeitet. Kann zum Schreiben benutzt werden, die Maschine, womit es eine Schreibmaschine ist. Der Ort ist überall. Dachboden, unzählige Zwischengeschosse, dann der Keller. Im dunklen unteren Teil liegen die Stoffe zum Brennen. Die Brandursache wird bei Gelegenheit geklärt. Hier ist aber auch Feuchtigkeit und Luftschutz. Das Dunkel im Keller ist groß. Man trägt dort Brillen, die Augenlicht brauchen, um sehen zu können. Ich nenne sie einmal die Ringe des Newton. Weil: Newton war Physiker und hat in einem Fragment den Traum des Descartes formuliert. Genau wie der Wind: das Feuer kommt und geht, wo es will. Es erzeugt Feuchtigkeit und hat Bedarf an Dunkelheit.

Becker: Wegen der Dunkelheit, die Sie gerade ansprechen, interessiert mich das Feuer ganz besonders. Haben Sie dazu, zum Feuer, eine spezielle Theorie?

Stoewer: Ja, auf der anderen Seite die Quanten, plötzlich entstehende kleine Körper oder Teilchen. Liebig, ein Physiker, und Lambert, Lukas, ein Lehrer und Erzieher zur Selbständigkeit, haben um Feuer gebeten und es war da. Zahl und Zeit des Tieres hängt ebenfalls im Feuer zusammen. Das ist eine thermische Qualität, weil auch der physikalische Spiritus theriomorph ist, das heißt aus tierischer Gestalt hervorgeht.

Becker: Das müssen Sie mir erklären: als erstes Liebig, den Physiker – ich kenne ihn nicht …

Stoewer: … befindet sich in der Endstufe mächtiger Palisaden, zwischen den Obertönen, die dort aus einer Art Orgelpfeifen ertönen. Die Musik macht den Ton. So hat die Zeitmessung, an der Galilei gearbeitet hat, dem großen Huygens geholfen, Musik im Raum des Metronoms zu beschreiben und darzustellen.

Becker: Herr Stoewer, Sie kommen mit so vielen Namen, die ich nur von fern gehört habe …

Stoewer: … Das 16. wie 17. Jahrhundert geben ein Beispiel dafür. Paraptypus und Scharlach sind Krankheiten, wie seltene andere auch, die ein Wiederaufleben der Naturwissenschaften zur Folge hatten. Ebenso fördern gewisse Bitterstoffe und Kaffee, Kaffee und Wasser. Sie befördern. Dann wird alles mit spitzer Feder zu Papier gebracht.

Becker: Mir fällt eine Bemerkung ein, die Sie bei gegebenem Anlass gerne einstreuen: „Kaffee ist ein Gedicht“.

Stoewer: Ja, Kaffee ist ein Gedicht. Gedicht kommt von „poem“. Wenn wir jetzt noch Kaffee bekämen, wäre es schön. Wir könnten Obsttorte und Makronen essen. Aber nun ist es so, wir beschreiben Raum und Zeit zusammen, ein Ganzes, und der Morgen und der Abend sind auf keiner Dauer zu befestigen. Es gibt wohl die Pause, ein Zeitmaß. Aber die Idee ist der Timekeeper, das ist das „clockword“ in Englisch, Latein und Deutsch.

 3.Tag 

Becker: Ich habe noch eine kosmographische Zentralidee im Kopf, nämlich den Stein der Weisen. Wissen Sie darüber etwas?

Stoewer: Der Stein der Weisen liegt vor und stellt mit Gewissheit ein Wolkenprodukt dar, das am Himmel sichtbar zu einer Phase des Mondes beiträgt. Steigt bis ins Erdinnere hinab, verbirgt sich dort und zeigt sich wieder am Himmel. Ist Margarine, Butter oder auch Griebenschmalz, die man auf ein Brot schmiert. Ist ein Schleifstein, um den sich Gedanken und Jahre drehen. Dreihundertsechzig Götterjahre wurden verbracht, und die Zeit blieb nicht stehen. Exakt in den Anspielungen der Ereigniswelt.

Becker: Und wie weit erstrecken sich die?

Stoewer: Das Schwein im Stall quiekt und der Bauer hat Gerste, Weizen und Roggen als Korn bewusst und unbewusst verwandt, um der Ereigniswelt, die zu beschreiben war, Einhalt zu gebieten. In der westlichen Physik ist der Zeitpfeil aus der Geraden geschnitten. Die Sauerei gehört zum Schwein und ist natürlich. Aber dagegen ist die Ereigniswelt, als Kreis mit den dazugehörigen Seiten, Winkeln und Würfeln zur Darstellung zu bringen. Eigentlich eine Schlange. Sie gleitet auf der Norm genialer Einfälle daher und kein Capra und Makrobios hat wirkliche sechs bis acht Zeilen dazu geschrieben. Der Körper eines Schweines, Rippe, Bauchspeck und Kotelett besteht in Prosa, und Prosa ist eine Erzählung, die keine Rede beantworten kann. Ignaz Günther hatte das Glück, Prosa zu schreiben. 1928 ist mein Geburtsjahr und der zehnte August ist my birthday. Euklid. Pythagoras. Kaffee ist ein Gedicht.

Becker: Inwiefern Euklid, Pythagoras?

Stoewer: Euklid hat den Lehrsatz des Euklid geschrieben und Pythagoras ist ein Ereignis des guten Betrachters und Beobachters, aus der Perspektive der Maja. Sie hat als Biene die verschiedensten Dinge erlebt. Der Pythagoras ist ein Bob, der Robert heißt und Sextant. Er kann reisen und rauchen, so viel er Lust hat, es wird nichts besser dadurch.

Becker: In Anbetracht des Universums …

Stoewer: … ist das Ganze Teil eines Romans, von Häusern und Mauern, von Bäumen, Sträuchern und Reisig bedeckt. Dort ist auch das Bernsteinzimmer und die Kammer des Mohrs von Wilhelm dem Ersten. Es hat die Form eines Osterhasen und reicht bis unter das Nordkap.

Becker: Was scheint Ihnen jetzt, wo wir zum Ende unserer kosmographischen Betrachtung kommen wollen, noch besonders erwähnenswert?

Stoewer: Betrachten und Schreiben sind Leibesübungen. Sie beruhen von ganzem Herzen. Das Resultat der Schreiber fußt auf zahlreichen Brillenträgern, die Fielmann ausgekleidet hat mit Sehinstrumenten. Sie passen gut. Wir haben das Vergnügen, Kaffee und Kuchen zu essen und zu trinken. Ich bin ein Heide. Die Freude am Schreiben ist gegeben und Anfälle und Schizophrenie. Margarine + Butter. Ein Mythos des 20. Jahrhunderts wird kosmographisch verkörpert. 1928 ist mein Geburtsjahr und der Tag der 10. August und ist Laurentius.

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