heute Gartenlust

Lust auf Lesen,

Faulobst, Fallobst,

Sammel- und Leseleidenschaft ergreifen mit starker Hand,

Hand schwenkt den Eimer, bis er voll ist mit

Faulobst, Septemberäpfeln, im vergangenen Monat,

in vergangener Nacht aus den Bäumen gefallen.

An manchen kleben winzige Nacktschnecken.

Auch in den Eimer, bis er voll ist.

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Dann kommt alles auf den Kompost, geschichtet, ausgebreitet.

Dort führt man Gabel und Spaten, dass sie wie Blitze durch die Luft und durchs Erdreich fahren.

Wie eine Lanze pflügt der Stock mit dem Eisen vorne dran durch den Haufen,

durch herbstlich Luft: Arbeit, eine die schmeckt, an der man Geschmack gewinnen kann, von Stich zu Stich, jedenfalls an solch einem Spätnachmittag, rundum in eine helle Wärme getaucht, auseinanderfließend zwischen kleinen Äpfeln und gelbem Laub.

Nach diesen Septemberäpfeln werden wir ab heute Oktoberlaub haben.

Windstöße, mit stark ausgebeulten grauen Wolken kommen sie an, treiben es wild und gezackt zwischen den Bäumen entlang.

Dort und in Linden, das hinter dem Berg liegt,  jagt ein Schauer den anderen, setzt ein Windstoß dem anderen nach. Dort reißt es intakte Zweige und noch grünes Laub vom Baum, während der Garten am Südhang ein letztes Sonnenbad nimmt.

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Gartenlust: in manchen Gärten führt sie zu Gartenkunst, drückt sich melodisch aus, ergeht sich in Flötentönen, in Zwitschern und Pfeifen. Viele Kehlen, viele Stimmen aus nah und fern, konzertant schlagende Fensterläden, knarrende Äste, Meisen, Wespenhorden, Bienenvölker in einem Dschungel aus Asternblüten.

Dann wieder verwandelt in die Lust, zu graben. Möglichst tief und herausfinden, was der Gärtner Warner in seinem Buch behauptet hat: der kleinste Garten ist groß und tief, wenn man bedenkt, dass er nur die Oberfläche eines gewaltigen Keils einnimmt, der bis zum Erdmittelpunkt reicht. So gewaltig ist der Anteil, den ein Kleingärtner in seiner Parzelle bedient und zur Pacht hat.

Garten gibt Gelegenheit zur praktischen Bearbeitung imaginärer Stoffe und Inhalte.

Damit sind Erfahrungen gemeint, die aus Erinnerung, Erwartung oder Hoffnung geschöpft werden. Inhalte und Stoffe, abgeerntet und gemäht und erheblichem jahreszeitlichem Wandel ausgesetzt. Sie wachsen immer wieder nach. Nichts löst sich einfach, alles löst sich erst im Widerstreit ein, im Wachsen, im Kommen und Gehen, im Aufkeimen und Verschwinden. Alles geschieht in hohem Tempo und geradezu erdrückenden Fülle. Aber wo verschwindet das alles nur hin?

Im Kompost. Aber auch dort  findet sich nur ein verschwindender Teil wieder. Das meiste ist spurlos vergangen, nicht etwa nur an Farben und Formen, sondern auch an Stoff, an Volumen.

Das grenzt an Wunder.

Beweis, den der Komposthaufen erbringt: alles ist von überall her.

Zugetragen, zugeweht, zugeflossen.

Nun liegt es da, rottet und bleibt, bildet sich zu Erde zurück, während hinterm Berg schon die Herbstwolken mit Zerren und Rauschen entlangstürmen.

Erste Tropfen scheuchen in die Hütte zurück. Dort hört man das Klatschen und Rinnen des Wassers und dazwischen das Trippeln des dicht unterm Dach ansässigen Marders. Man hat ihm Pfeffer gestreut. Hier zernagt er noch statt Kabel Kadaver. Momentan treibt ihn Unruhe um, weil er spürt, die magere und frostige Jahreszeit naht und geht ihm jetzt schon in die Knochen. Deswegen springt er oben herum und tritt sich den kommenden Schmerz aus den Beinen.

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Am Rand vor der Türe, ehe es in die Hütte hineingeht, seitlich ein Malvenblatt. Es ist groß da in diesem Herbst. Haarig wie ein Gurkenblatt liegt es. Ein Mensch, durch die Hüttentüre getreten, hält die Kamera drauf, drückt ab und nimmt das Ding in der Hand wie eine Taube zurück, die gleich davonfliegen will.

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