Aber würden keine Geschichten erzählt, es gäbe auch keine Dinge, die Geschichten erzählen.
Es gäbe nicht einmal Dinge, die keine Geschichten erzählen.
Geschichten stiften den Zusammenhang, ohne den es weder Erzähler gäbe noch erzählbare Sachen.
Dinge erzählen Geschichten, Personen auch.
Sie blieben unverständlich, würden nicht schon jetzt die Geschichten erfunden,
die sie vielleicht erst morgen erzählen, also dann,
wenn es sie unter Umständen schon gar nicht mehr gibt,
ebenso uns.
Er entfernte vorsichtig das hauchdünne Papier vor dem Foto. Auf dem Passepartout stand mit Bleistift: „Wols, Ohne Titel.(Wasser)“. Diese erstarrte, lavaartige Masse, schwarz, grau, mit glänzenden Lichtflecken, mit Furchen und Aushöhlungen, eine fast polierte, fettige, glänzend und dann wieder körnige Fläche. So hätte sich dieses Wasser irgendwann und irgendwo bewegt. Er wollte mit dem Finger darüberstreichen, hielt sich aber noch rechtzeitig zurück. Das war es, was er anstrebte. Die anonyme, nicht geschaffene Welt der Erscheinungen, die diese andere Welt, die der Namen, der Ereignisse, aufwiegen müsste. Ich möchte Dinge bewahren, die niemand sieht, die niemand beachtet, ich will das Allergewöhnlichte vor dem Verschwinden bewahren. (Cees Nooteboom, Allerseelen, 307f.)