Verdichtungen

Zu den großen Errungenschaften, mit denen die USA das niedergeschlagene Deutschland gleich nach 1945 beglückten, gehörte die Kondensmilch. Dick, fett und süß kam sie aus Dosen geflossen und wurde löffelweise aus Tuben verabreicht. Eine rare Köstlichkeit der ersten Nachkriegsstunden, wie Schokolade, Zigaretten und Nylon.
Etwa ein halbes Jahrzehnt später tauchten am blauen Himmel Europas die ersten Flugzeuge auf, nicht mit Propellern ausgestattet, sondern mit Turbinen betrieben. Zunächst waren das Militärmaschinen. Wenn diese Metallvögel mit dem sonderbaren Namen „Düsen-Jäger“ erschreckend tosend und krachend durchs Azurblau flogen, hinterließen sie eine weiße Spur, die man „Kondensstreifen“ nannte.
Kondensmilch und Kondensstreifen haben sich von damals her, aus dem Blick des Kindes in den tiefblauen Himmel, merkwürdig ineinander vermengt und verschlungen, vielleicht so wie Schlange und Stab im Schlangenstab.
Noch heute bin ich mir, wohl in Folge dieser Verschlingung, nie völlig sicher, schreibt man Kondenzmilch und sind im Kondensstreifen wirklich zwei s? Erst die Erinnerung an Wasser, das kondensiert, bzw. zur Kondensation gebracht wird, erinnert getreulich daran, dass hoch oben im ‚Azurblau’ kein eingedickter Milchstrahl aus der Tube, sondern ein Bahn aus Wasserdampf hängt.

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