‚Gott ist mein Lied‘

„Gott ist mein Lied“, heißt es.

Deswegen lohnt es sich, zu singen. Eine Art und Weise, das Höchste Wesen, das alles umfasst, zu suchen. Ein Versuch, ihm näher zu kommen, es aufzusuchen. Von Bach haben wir ein Musikalisches Opfer. Die kirchlichen Gesangbücher haben den Titel Gotteslob. Gebete , wie die Psalmen, sind nicht aufgesagt oder gelesen, sondern auswendig/inwendig gesungen worden, vielleicht so, wie Text und Melodie sich gerade einstellten. Der Psalter ist eine verschriftlichte Sammlung solcher Lieder, die sich auf das Summum Bonum hinbewegen und – wie könnte es auch anders sein – daraus herrühren.

Außer Klangkörpern, Saiteninstrumenten, Cymbeln, Schlagzeug und mancherlei mehr, die wir heute gar nicht mehr kennen, kam noch der bewegte Leib der Sänger, der Musikanten und aller Mitstimmenden hinzu. Tanz, der vielleicht so ekstatisch geraten konnte, wie von David erzählt wird, er habe sich in der Entzückung entblößt. Öffentlich gezeigte Entzückung: „David tanzte mit ganzer Hingabe vor dem Herrn her (d.h. vor der Bundeslade, dem aron hakadosch) und trug das leinene Efod“, 2. Samuel 6, 14. Das wird von Michal, der Tochter Sauls und Davids Frau, die vom Fenster des Königspalasts zugeschaut hat, als peinliche Entblößung empfunden: „Wie würdevoll hat sich heute der König von Israel benommen, als er sich vor den Augen der Mägde seiner Untertanen bloßgestellt hat, wie sich nur einer vom Gesindel bloßstellen kann!“, 2. Samuel 6, 20.

Im Hebräischen ist maqom, Ort, eine Gottesbezeichnung, wie das lateinische Summum Bonum oder unser Höchstes Wesen. In ähnlicher Weise kann Lied als Gottesname aufgefasst werden. Jedes Lied hat Teil an der Harmonie der Sphären. Das Universum als Klanggebilde, in dem das geringste Lied sich einfügt und im Gesamten nicht fehlen darf. Deswegen die hebräische Fabel von David und dem Frosch, wobei David erfährt, dass dessen Quaken, das aus dem Sumpf aufsteigt, in der Höhe nicht geringer geachtet wird als sein, Davids, nächtliches Spiel auf Zither und Harfe.

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1 Antwort zu ‚Gott ist mein Lied‘

  1. sylvia sagt:

    schläft ein lied in allen dingen…
    und in jedem menschen, mindestens eines. wo dürfen wir sie noch frei und froh hinaussingen? wo trauen wir uns? kirchgängerinnen tun es sonntags morgens, laut und inbrünstig. manche singen in chören. man hört, dass es wieder jüngere menschen dort hin zieht, sie singen ein anderes lied als oma, opa, mama, papa, aber sie singen, wie schön. manche singen mit ihren idolen in pop-, rock- und anderen konzerten, manche singen im schützenfestzelt, manche singen (?) im stadion, manche unter der dusche, manche… letzte woche berührte mich der zittrige brüchige aber inbrünstige gesang der hochbetagten im altenheim sehr tief – ja – jedes lied hat teil an der harmonie der sphären.

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