Diskriminierung

Eine der Wurzeln von Diskriminierung liegt in der eklatanten Unvereinbarkeit von Gleichstellung und Besonderung. Wer sich für ein besonderes Individuum hält oder einer besonderen Gruppe oder Population zugehörig sieht, verfällt leicht einer Akkreditierung oder Diskreditierung dieses eingenommenen Sonderstatus.
In dem Augenblick, wo ich behaupte, ich habe eine besondere Geschichte, eine spezielle Vergangenheit und einen daraus sich ergebenden persönlichen Auftrag, von diesem Moment an exponiere ich die persönlichen Eigenarten und mich selbst einer Beurteilung, die meine zugleich ergangene Gleichstellungsforderung außer Kraft setzt.
Wenn ich mich besondere, lasse ich die andern spüren, dass ich mich von ihnen unterschieden weiß und zugleich an ihnen / mit ihnen messe.
Aus der sachlichen Forderung nach Gleichheit und nach Besonderung wird eine ungewollt an die anderen ergehende Herausforderung.
Ich nehme einen Platz ein, den die anderen nicht (mehr) einnehmen können, und zwar meinetwegen.

Antisemitismus beginnt mit dem Emporkommen des Christentums. Die Rivalität spielt sich ab in der Frage: wer von uns ist von Gott, vom Vater ausersehen? Eine prometheische Szenerie, in der die Christen das Himmelsfeuer entwenden. Doch bleibt eine nagende Ungewissheit: haben wir es wirklich? oder sollten es die anderen, die Juden immer noch haben?
Anfangs verstanden sich die Christen als Nation, als das ’neue‘ Volk Gottes. Der Nationalgedanke wollte dann viele Jahrhunderte später zurückerobert werden, Volk für Volk. Auch hier traf man, wie im Märchen, als Hase auf den, am Ende der Furche bereits lang positionierten Igel.
Das ist der Beginn des Antisemitismus im engeren Sinn. Auch im völkischen Pathos spielte der Erwählungsgedanke eine große Rolle.

Mit der Gründung des Staates Israel hat sich die Situation noch einmal verändert.
Die Juden treten – in den Augen der Angehörigen anderer Nationen – als nationale und als religiöse (und womöglich auch noch rassische) Gemeinschaft auf. Das Moment der Besonderung tritt nun potenziert, vermehrfacht entgegen.
Es zeigt sich in der vermuteten und unterstellten Verquickung von (National-)Staat und Religion in Israel, eine Union, die in der Tat im Westen eine fatale Historie gehabt hat und deren Auflösung als zivilisatorische, ja demokratische Errungenschaft gefeiert werden darf.

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