Bücherkunst

Wir sind im Begriff, alles Geschriebene hinter uns zu lassen. Der Zeitpfeil trägt geräuschlos dahin. Noch haben wir den merkwürdigen Geruch in den Kleidern, aufs Jahrzehnt genau. Der Geruch von druckerschwarzen Gedanken, Lesezeichen, getrockneten Feldkräutern, Tabak und Glossen.
Folianten von den schwarzen britischen Inseln, von Kells bis Joyce. Abenteuerliche Lederrücken, Okkulta, aufgeschnittene Bände, leicht wie Kork. Man liegt auf dem Rücken und schwimmt von alleine. Strömungsspiele – hier verfassen sie ihre Poeme, ebenfalls auf dem Rücken liegend, seelenruhig und tragend wie die Fläche des Toten Meers.

In der Küche mit kleinen Stichen eine Mohrrübe durchs Sieb ziehen.
Sardinen kommen von weither angeschwommen. Sie schwärmen über der Fläche, die die Seiten ausbreiten. Jede Büchse ein Grab für mehrere, ein Sarg für viele. Sie begegnen sich dort zum ersten Mal, zum ersten Mal auf engstem Raum. Mitten aus ozeanischer Fülle gegriffen, zum Lebensmittel geworden, Büchsen und Bücher.
Eine jähe Wendung der Dinge.
Doch auch jetzt sind ihre Seelen noch ausgedehnt wie im Schwarm, weit über Blech und Leder hinaus, die ihre schwarzen und silbernen Leibchen einschließen samt den roten Pfefferstückchen dazwischen.

22.2.93

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