Callots Stechbüchlein

In der Ebrachtstraße 34, ein paar Stufen über dem Fahrdamm, liegt in einer Vitrine das Stechbüchlein Callots. Man schreibt es Callot zu, aber es besteht der Verdacht, dass die darin enthaltenen Kupfer in einer anderen Werkstatt gestochen sein könnten.
Es finden sich auf den Seiten Totenkopf, Spitzhacke, Henkerseil, dünne zappelnde Gestalten, teils getuscht, teils graviert
– aber der Grad ihrer Allgemeinheit ist so hoch, dass
auch ein unbekannter Meister sie entworfen haben könnte.
Jedenfalls geben sie Anlass zu düsteren Betrachtungen,
Erwägungen über das Ende der Zeit, über das Ende der
trotzigen Spiele, in denen das Sterbliche sich gegen
eine Herkunft empört, die keinen Untergang kennt.

aus: „Stücke aus einem Katalog“, 1986

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