doppelter Ursprung

„Wir sind gehalten“, urteilt Nikolaus von Cues, „zu glauben, dass es nichts gibt, was entweder nur von Natur oder nur durch die Kunst wäre. Jedes Seiende nimmt auf seine Weise an beiden Ursprüngen teil.“* Eine frappante Vorstellung. Sie ist nicht mehr so provokant, wenn man bedenkt, dass sowohl Kunst als auch Natur natürlich (und ‚künstlich‘) in uns Menschen selbst vermittelt sind. Sie fließen ein und durchdringen jede Form von Rezeption und Produktion imaginärer und praktischer Art.
Daher folgert Cusanus: „Es ist nicht möglich, dass die Naturdinge ganz frei von Künstlichkeit, die künstlichen Dinge ganz ohne Anteil der Natur sind.“** Kunst und Natur ragen in einander, wie der Cusaner am Beispiel der Licht- und Finsternispyramide gezeigt hat. Sie sind in Opposition zu einander, dabei so ineinander versetzt, dass die Pyramidenspitzen jeweils die gegenseitige Pyramidengrundfläche tangieren.

*) Über die Vermutungen, in: Nikolaus von Cues, Die Kunst der Vermutung, Auswahl aus den Schriften, Hg. Hans Blumenberg, Bremen 1957, 219
**) ebenda, 219

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1 Antwort zu doppelter Ursprung

  1. rebsch sagt:

    Man könnte den Gedanken von Nikolaus von Cues weiterspinnen und fragen, ob die Gleichursprünglichkeit von Natur und Kunst nicht für jede gegenständliche Arbeit gilt – wobei es allerding in jedem Fall schwierig ist zu sagen, was „Natur“ ist. Können wir sie anders als durch die Brille der Kultur sehen?

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