Maskerade

Der Begriff Person kommt bekanntlich von „persona“ und „personare“, was man mit „Durchklang“, bzw. „durchklingen“ übersetzen könnte.
Muster für die Person ist die Maske, wie sie im antiken Schauspiel, im Theater, in Tragödie und Komödie Verwendung fand. Ihr fällt die Aufgabe zu, darzustellen, eine Rolle vorzugeben im Rahmen einer Handlung, eines Geschehens. Der Akteur verhüllt sich damit, er versteckt sich dahinter, um als anderer zu erscheinen. Die Maske stellt dar und gleichzeitig verstellt sie.
Im Unterschied zu einem menschlichen Antlitz ist die Maske starr. Die Augen sind Löcher und geben den Augen des Akteurs den Blick frei. Der Mund der Maske ist meistens offen, weit offen, aufgerissen wie im Affekt des Staunens, der Entzückung oder des Erschreckens. Diese Öffnung lässt die Stimme des Schauspielers passieren. Im Durchgang, in der Passage nimmt die Stimme einen gedämpften, dumpfen oder hohlen Klang an. Er ergibt sich aus der Maske, die mitunter wie ein Resonanzboden wirken kann.

Der offene oder aufgerissene Mund gibt der Maske einen stark affektiven, mitunter auch affektierten Ausdruck. Die emotionale Aufladung der Masken-Physiognomie ist bedeutsam für ihre Funktion: sie soll vermitteln zwischen dem Akteur und seinen Mitakteuren, beinahe mehr aber noch zwischen Akteur und Zuschauer. Das Publikum schaut der Maske immer wieder ins Gesicht und lässt sich von deren übertriebenem und gleichzeitig stereotypen Gesichtsausdruck ‚beeindrucken‘. Die Zuschauer werden hineingezogen in die emotionalen Felder, die von der Maske ‚ausgerollt‘ werden und die in der Handlung, im Drama ausgespielt werden: Schrecken, Trauer, im Gang der Handlung ständig sich erneuernde Verwunderung, Entsetzen oder Ekstase.

Die Wirkung der Maske geht nach innen und nach außen, zum Publikum hin und zum Spieler zurück. Für dieses Wechselspiel sind die Augenlöcher entscheidend und das Mundloch, die Mundhöhle, die sich in der Maske auftut. Man affiziert sich wechselseitig, steckt sich gegenseitig an. Die Maske soll provozieren, vergrabene und verschüttete Gefühle hervorrufen und in Austrag bringen. Das ist, wie man weiß, Thema der Theorie, die Aristoteles für das Schauspiel entwickelt hat. Es ist die Lehre von der Reinigung, eine Psychohygiene durch Abfuhr der Affekte, die Theorie der Katharsis.

Was für die antike Maske im Schauspiel gilt, für die ursprüngliche „persona“, gilt im Prinzip für alle Masken, für die Masken im Stammesritual ähnlich wie für die Masken in den Karnevalsumzügen.

Sie geben Vorbild oder Vorlage ab für die ‚Person‘, ein Muster oder Modell, das in sich kein Leben hat. Es ist bloß eine Art Vorwand, ein vorgezogenes, vor das Gesicht gezogenes Stereotyp, eine Hülle oder Verhüllung, die einen selbst und das Gegenüber von der ungeschützten und unerträglichen Blöße schützt, die durch das Person-Sein bedeckt, verborgen und geborgen sein soll.

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