Schamanen

Es bleibt unsicher, was in dem Wort für Bedeutungen liegen. Die könnten ja einen Hinweis geben auf die ursprünglichen Eigenschaften oder Funktionen schamanischer Existenz und Entrückung.
Man hat zur Erhellung aus dem Sanskrit Worte herbeigezogen und aus dem Tungusischen.
Sie sprechen „in einem Fall das Sichabmühen, im anderen das tobende Umsichschlagen“ an (oder aus?). *
Vielleicht haben diese Leute ihren Namen im Vorgriff aufs Englisch-Amerikanische erhalten. Hier liegt das Wort „sham“ vor: „someone … that is not what they are claimed to be“. ** Diese Definition träfe auf den Schamanen gut zu: Er ist nicht das, wofür ihn die Leute halten, und niemand, der sich für etwas Bestimmtes hält. Als Adjektiv bezeichnet der Ausdruck das Bemühen, etwas als real zu erscheinen lassen, „made to appear real“. So wäre a „sham man“ eine Person, die Wirklichkeit suggeriert, die gar keine ist. Oder eine Person, die so tut, als wäre sie eine.

Man drehe und wende es, wie man wolle. Jedes Mal springt aus Wendung und Drehung der Sachverhalte, der Worte ein Schamane hervor. Sie sind die Kundigen der Grenzbereiche, Gänger in den Grauzonen, mal eher Hexer, mal eher Barden. Pythia, die ihren dreibeinigen Schemel über der Erdspalte platziert hat und entrückt wird durch den Dampf, der aus der Tiefe aufsteigt, ebenso wie zeitweilig Dante, als er ins Inferno hinabstieg. Die Magierin von Endor genauso wie Jona im Fischbauch und alle Propheten in ihren visionären Momenten. Der Kundige und Meister des göttlichen Namens, der Baal Schem Tob ist Schamane und Johannes, von dem wir die Apokalypse erhalten haben, ist es auch. Er steht in der Reihe derjenigen, die Es kundtun, ha dei genésthai en táchei esémanen, das, was in Bälde geschehen muss. Oder geschehen sollte. Was dann ‚wirklich‘ geschieht steht auf einem anderen Blatt.

*) Religionswissenschaftliches Wörterbuch, Hg. Franz König, Freiburg: Herder 1956, Art. „Schamanismus“, 779
**) Longman, Dictionary of Contemporary English

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