Der Drang, etwas immer und immer wieder zu erzählen, geht einher mit dem Vergessen, es immer und immer wieder bereits erzählt zu haben. Die erzählende Person begibt sich stets von neuem in eine Art Unwissenheit. Sie ist gebannt von dem, was sie zu erzählen hat, so dass ihr entgeht, dass bereits alle Personen in ihrem Umkreis die Geschichte bereits gehört haben. Das Gegenüber gewinnt keine wirkliche Gegenwart und verschwindet unmerklich hinter dem Drama oder Erzählstoff, der sich in ihr erneut auftürmt.
Solche perseverierenden Geschichten werden in Muster gegossen, die im endlosen Wiedererzählen immer mehr skelettieren. Ein Verdorren und Verknöchern, das sich außerhalb des Raums abspielt, in dem die erzählende Person fasziniert und beschäftigt ist. Für sie wogt und quillt der dramatisch, insgeheim traumatische Plot ohne Ende und Anfang.
„Der Drang, etwas hundertmal zu sagen, der Wunsch, es zu verschweigen.“ *
Offenbarungszwang und Verheimlichungsdrang liegen dicht beieinander. Eins ergibt sich aus dem anderen.
E. Canetti, Nachträge aus Hampstead, 167