RA

Dinge entstehen und können nichts dafür. Eine Blutorange wird ins grüne Gebüsch einer Plantage geboren. Mit einiger Wehmut verlässt sie den Duft der weißen Blüte, aus der sie hervorgeht. Sie nimmt eine porige Schale an und einen Geruch, der sie ihrem Ursprung entfremdet.
Auch Golfbälle, die im weißen Pelz durch den geschorenen Rasen springen, von Mulde zu Mulde, von Erdloch zu Erdloch, und Billardkugeln, die im kreisrunden Schwarz der samtgrünen Tischplatte verschwinden, haben ihr Schicksal. Sie fallen nicht weit von dem Baum, der sie genährt und hervorgebracht hat. Sie fallen und kollern ein wenig, teils aus fremdem, teils aus eigenem Antrieb. Dann fallen sie einem Geschick in den Schoß, das es nicht unbedingt gut meint.
Rote Tischtücher, rote Schnupftücher und ebensolche Servietten, ganz aus zelluloser Materie, kommen gelegentlich vor, ohne wirklich en vogue oder in Mode zu sein. Der flüchtige Dienst, den ihnen ihre Benutzung zumutet, zehrt sie am Ende vollständig auf. Ganz am Ende steht der Container, voll von Scherben und restlichem Fraß, von einst leckeren Soßen durchtränkt, in denen die Gärung Blasen und säuerlichen Schimmel aufwirft.

Unsere Welt steckt voller Rätsel, die sich zu Gesetzen aufschwingen, auch voller Gesetze, die wieder in die fadenziehende Tiefe der Rätsel einsteigen. Es entstehen Melangen, intermediäre Terrassen, Balustraden, auf denen das Eichhorn entlanghüpft. Manchmal trinkt man flüssige Feuerbohnen zum Tee oder durchquert mit der Machete den Busch. Immer wieder wird Blut von unterschiedlichster Farbe vergossen. Es klebt und verharzt.

Aus dem puren Anblick rollen Wogen an von Gefahr.
Man kann sich dumm stellen – es hilft nichts.
In der enormen Schwemme, die alle Dinge ergreift, seien sie nun schwarz oder rot, reißt es den unschuldigen Beobachter mit, der bloß einmal, ganz nebenbei, nach dem Rechten sehen wollte. Nun – er findet sich in unauslotbaren Kellergewölben wieder, zu denen kein Bohrloch hinabreicht. Nur in Ausnahmefällen ein Schacht, in dem ein livrierter Herr namens Charon einmal im Jahrtausend den Fahrstuhl bedient. „Farewell, Sweetie. Hoffentlich ebbt das Gedränge im Dunkel bald ab.“

Tagsüber schreibt Stendhal Romane. Eine Sonnenbahn knüpft an die andere an.
Im Roulette hüpft nächtlich die Kugel von Grube zu Grube, von Scheibe zu Scheibe, mit geschlossenen Augen, immer dem nicht sichtbaren Blindenstock nach.

Agathes Hund, eine witzige Promenadenmischung, kläfft zwischen Bube und Pik. Querfeldein späht ein Zocker den Geldtürmen nach, die der Discjockey an langem Rechen über den Golfrasen schiebt.
Die geringste Anstrengung zaubert glänzende Tropfen hervor und ein knallrotes Schweißtuch, das den Schweiß und den Zauber hinwegnimmt. Ja, wir trinken und speisen und schwitzen zu viel. Schweiß drauf – dann sind wir es los!

Und Stendhal und Ra?
Sie gehen noch immer am Himmel und auf der Erde spazieren, in unwegsamem Gelände. Sie frühstücken wie wir, sie schwitzen und scheinen und jammern wie wir. Und die Chance steht noch immer nicht schlecht, etwa hundert zu hundert, oder ungleich zugleich.
24.1.89

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