ein dunkler Heiland

Zorn, Enttäuschung, Ungeduld sind keine als ‚christlich’ ausgewiesenen Eigenschaften. Doch handelt es sich dabei um Anwandlungen und Affekte, von denen auch Christus bis an sein Lebensende bedrängt und heimgesucht worden ist. Zahlreiche Episoden und Aussprüche Jesu zeigen die ‚grimmige’ Auseinandersetzung mit Ingrimm, Bitterkeit, enttäuschten Erwartungen. Auseinandersetzungen, in denen kein strahlender Sieg zu erringen war, die von keiner gloriosen Überwindung, von keiner siegreichen Überlegenheit gekrönt werden können.

„Feuer auf die Erde zu werfen bin ich gekommen“, heißt es (Lukas 12, 49). Daran anschließend: „wie froh wäre ich, wenn es schon entzündet wäre!“ Langmut und Erbarmen werden hier von einem ungeduldigen und drängenden Vollendungsbegehren verdrängt oder abgelöst, zumindest vorübergehend. In diesen Kontext gehören etwa auch die Verfluchung des unschuldigen Feigenbaums und die danach erfolgende Austreibung der Händler aus dem Tempel mit Geißel und grimmigen Worten. Diese Vorgänge können verstanden werden als Ausbrüche einer Ungeduld im Hinblick auf das unvermeidlich nahende, sicherlich qualvolle, aber nicht unbedingt erlösende Ende des eigenen Lebens. Kann und wird diese Erlösung endgültig, auf Menschen, Welt und Schöpfung übertragbar, wird sie bleibend oder nachhaltig sein? Darin hängt eingeschlossen der bange Zweifel: kann es überhaupt und in irgendeiner Weise ‚Erlösung’ geben, sei es durch Stellvertretung, sei es durch Opfer? Und wenn ja, wird dann nicht über kurz oder lang alles wieder rückfällig werden, zurückstürzen in irgendwelche ausgetretenen Gleise, in Bahnen, die vielleicht auch weiterhin von anderen und unbekannten Kräften gezogen und vorangetrieben werden?

Bei gewissen Anlässen und Gegebenheiten zeigt sich Jesus ungehalten, anscheinend herausgerissen aus jener Heilsgewissheit, die ihm von einer roh vereinfachenden und idealisierenden Nachwelt unterstellt wird. Dass deren (und unsere) Idealisierungen und Vereinfachungen ebenfalls Notgriffe darstellen, mit denen aus eigener Anfechtung und Bedrängnis herausgeholfen werden soll, steht auf keinem anderen Blatt, sondern gehört mit zu den Komplikationen, die einhergehen mit einer Erlösung, die wirklich und wirklich umfassend sein möchte. Sie gehören, vielleicht nicht nur als ‚Geburtsschmerz’, in den Prozess einer durchgängigen Befreiung aus (be)herrschenden und zugleich empörenden Verhältnissen.

Die Alternative zum zornigen Heiland ist nicht etwa der heitere, sondern der schwermütige Jesus. Jemand, dessen Wut oder Empörung blockiert und umgeschlagen ist in grüblerische Depression, in eine von nagenden Selbstzweifeln durchsetzte Melancholie. Das wäre vergleichbar dem Leidenszustand, der sich in äußerster Finsternis abspielt, eine Passion, zu der Heulen und Zähneklappern eine Begleitmusik liefern.

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