denkste?

denken …? denke schon, dass ich denke, allerdings ohne schon dadurch zu sein oder zu meinen, jetzt bin ich. Eher ist man weg, andächtig oder bedenklich im Sein unterwegs, eher nicht angekommen als immer schon da.
So unaufhörlich und unendlich geschieht’s, dass sich keine endgültigen Schlüsse daraus ableiten lassen, Sein oder Nichtsein betreffend. Eins wird darin mit dem andern verknüpft, wie in einer Leiter die Sprossen, in einer Treppe die Stufen.
Denken macht Spaß, unterhält, strengt an und lenkt ab, konzentriert eine Person um einen inneren Ort um sie im nächsten Augenblick zu zerstreuen, auseinander stieben zu lassen.
„Das Denken ist in höchstem Maße unser Eigentum; verborgen im tiefsten Innern unseres Seins. Gleichzeitig ist es die gewöhnlichste, abgenutzteste, repetitivste aller Handlungen. Dieser Widerspruch lässt sich nicht auflösen.“*
Abnudelnde und abgenudelte Vorgänge. Unter ihnen ist das Abzielen auf Wahrheit, das Beharren auf Gewissheit, die wirklich gewiss sei, die vielleicht größte und allervergeblichste Mühe. Sie verschleiert das Ziel, das sie zu enthüllen vorgibt. Sie verstellt, so dass sich – wer weiß – die sinnträchtigen und zugleich ersehnten Gedanken verziehen. Was begründend und bewegend sein könnte, wird so weiterhin ungedacht bleiben.
Und doch kann kein Zweifel drüber bestehen, dass wir angewiesen sind auf dieses ständig ausholende und wenig einbringende Denken, auf dieses unaufhörliche Fragen, das sich scheinbar überall abspielt, im Herzen, in den Nieren, im Kopf, aus den Händen in den Augenhintergrund steigt und einen Fuß vor den anderen setzt. Auch wenn es kreiselt und springt, der elementare Schwindel, dem wir ohne das Denken ausgesetzt wären, dieser Wirbel, der die Stoffe vom Neutron bis zum Zyklon rotiert, ins Universum schleudert und daraus zurück, wäre sicherlich noch schwerer erträglich.
Es könnte aber auch sein – es wäre jedenfalls denkbar – dass unser Denken von dort genau herkommt, gleichsam herausgeschleudert wird aus der primären Drehung, welche die Materien erzeugt und sie zugleich balanciert. Eine ihnen einverleibte Dynamik, die im axialen Kern generiert, was bei uns, was in uns als Denken ankommt: eine Energie und gleichzeitig ein Stoff wie der, aus dem alle Träume gemacht sind.

Übrigens: Andacht erinnert daran, dass ‚denken‘ tatsächlich mit ‚danken‘ zu tun hat. Als sollte durch das Denken Dank erstattet oder – negativ ausgedrückt – eine (Dankes-)Schuld abgetragen werden. ‚Gratiam referre‘, ‚Grazie zurückbringen‘  hat man diesen Vorgang im Altertum genannt. Mag sein, dass die Unmöglichkeit dieses Unterfangens, dass seine Uneinlösbarkeit das Denken so unaufhörlich macht.

*) George Steiner, Warum Denken traurig macht, Ffm.: Suhrkamp 2008, 43

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