Die Weisheit aber, wo kommt sie her,
und wo ist der Ort der Einsicht?
Hiob 28,20
Weisheit – die Frage nach ihrer Herkunft gehört in sie hinein.
Immer wieder wird daraus eine ‚rhetorische‘ Frage – doch das sollte sie beileibe nicht sein.
Ausdruck einer höchsten Würde stattdessen, nämlich der, sich immerfort befragen zu lassen: Frag-würde.
Im Hiobbuch folgt als vage Auskunft dazu:
Abgrund und Tod sagen:
unser Ohr vernahm von ihr
nur ein Raunen.
Destruction and Death say:
‚We have heard a rumour thereof with our ears.‘[1]
Ausgerechnet Abgrund, Tod und Destruktion behaupten ein Wissen (davon), wie gerüchteweise auch immer.
Keine unbedingt vertrauenswürdigen Informanten, dem Sagen und Hören nach auch noch mit unglaubwürdigen Ohren versehen.
Eine fantastische Auskunft – aber vielleicht besser als gar keine: auch am Ende langer und nachhaltiger Zerstörung, also im Tod weiß man nicht wirklich.
Aber es gibt, ganz blass, eine Ahnung.
Warum?
Weil dort, in der Vernichtung, alle verstellenden, verleitenden, lärmenden und ablenkenden Konstruktionen abgetan sein werden. Unter den Toten hört man deshalb vielleicht besser.
Ein Wahrschein, der dort wieder aufblinkt und jenes Nichts durchblicken lässt, aus dem sie ursprünglich kommt:
Weisheit kommt aus Nichts,
übersetzt Rabbi Nachman.[2]
Die Philosophen und Poeten der Kabbala drehen die Frage, stellen sie auf die Füße. So fällt – gegebenenfalls – eine Antwort heraus. Fragezeichen kennt man nicht im Text der hebräischen Bibel. Daher Frage als Auskunft. Weisheit und Einsicht bilden den Anfang alles Entstehens, sind allem vorausgesetzt. Sie kommen nicht erst am Ende dabei heraus – wenn alles gut läuft.
[1] Soncino Books, Job, 144
[2]„Wisdom comes from Nothingness“, nach Aryeh Kaplan, The Light Beyond, 38