Vergeistigung, entlarvt

In der geistesgeschichtlichen Tradition des Westens hat der Geist seit jeher den Vogel vor der Materie abgeschossen. Der Geist: das Schoß- und Busenwesen der Denker, der Gläubigen, dessen Vorrang in Künsten und Wissenschaften unbestritten geblieben ist. Dabei weiß jedes Kind, dass alle lebenswichtigen Dinge aus Stoff gemacht sind, dass sie sich deswegen anfassen, betasten, fühlen und schmecken lassen. Geist und Geister hingegen sind nur vom Hörensagen bekannt, rechnen aber zugleich unter die Dinge, die so zählebig und unwiderlegbar sind, weil es sie eigentlich nur als dauerhaft subventionierte Behauptungen gibt.
Der hebräische Wort für Geist, ruach, hat gleichzeitig die Bedeutung von Wind.
Diese stoffliche Seite des Geistes hat in den weniger gebildeten Schichten des jüdischen Volkes seit jeher das Ansehen des Geistes, wie ihn Theologen und Philosophen hochhalten, nicht gerade begünstigt.
So sagte man etwa zu einer unsteten und windigen Person, „Das is e Ruach!“, also soviel wie Luftikus oder Windbeutel , ohne dabei im geringsten auf irgendwelche höheren Geistesgaben abzuheben.
Dazu dann die Wendung, „‚Er hot alles verruecht‘, d.h. in Genusssucht vertan.“
Vielleicht muss man sich im Westen, nach zweieinhalb tausend Jahren geistesgeschichtlich verantworteter Realgeschichte einen ähnlichen Vorwurf gefallen lassen:
                                         „Wir hom alles verruecht!“

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