ups!

Jede Sprache hat gewisse Worte oder auch nur Laute, die nicht vorgesprochen sind und nicht nachgemacht werden, sondern authentisch aus Menschen und Mündern hervor fahren als eigentümlicher und unnachahmlicher Ausdruck starker Gefühlswallungen. Schmerz, Lust und Erschrecken haben ihre je spezifischen Lautgemälde: Autsch, aua, mmmmmhhhh, ups!

Ups gibt es auch in anderen Sprachen. Man hört es, wo französisch oder englisch gesprochen wird. Es wird dort überall in gleicher, jedenfalls in ähnlicher Weise gesprochen oder vielmehr hervorgestoßen. Nur die Verschriftlichungen fallen da und dort unterschiedlich aus.

Im Augenblick des Erschreckens entfährt es – soll man sagen unwillkürlich? unvermeidlich?  automatisch? spontan?

Es scheint in der Tat der vom Schreck gepackte Körper zu sein. Er erzeugt dieses Lautwort, diesen Wortlaut. Daran ist nichts vorbedacht, nichts vorsätzlich oder eingeflößt von Kopf, Herz, Bauch oder sonst einem Organ oder Teil.

Es ist unvermeidlich wie das Zucken eines Lids, das einsetzt, sobald eine Fliege sich zwischen den Wimpern gefangen hat. Oder wie schützend vors Gesicht gehobenen Hände, wenn dein Gegenüber zur Ohrfeige ausholt.

Doch im Falle des Ups liegen die Dinge sogar noch ein wenig anders.

Denn es scheint, dass – ups! – in dieser Abfolge von labialen und dentalen Lauten nicht nur ein mechanisches oder instinktives Moment liegt, sondern die seltene Qualität eines Abwehrzaubers.
Ein magischer Laut, ja, ein Lautbild, das der Körper im Augenblick des Erschreckens hervorschleudert mit erheblicher Kraft. Da geht ein impulsives Zusammenwirken aller Glieder vonstatten und gestaltet in Eile, in unvorstellbarer Geschwindigkeit eine Formel, ein Wort, das im üblichen Sprachgebrauch keinerlei Sinn hat.

Gewiss, an der Lautbildung sind in erster Linie die Sprechorgane beteiligt: durch Zusammenpressen der Lippen, Stoß der Zunge gegen die fast geschlossenen Zahnreihen usw. Aber die darin liegende apotropäische, also magisch schützende und zugleich abwendende Wirkung verdankt sich dem gesamten Leib. Das ist seine wirkliche Quelle.

Es soll einen Paketservice geben, den man gelegentlich mit braunen Lieferwagen durch die Städte fahren sieht. Er hat scheint’s diesen Ausruf als Firmennamen übernommen: ein Kürzel für „United Parcel Service“.

Hat diese Übernahme die Paketbeförderung begünstigt, behindert, beschleunigt?

Es liegen dazu noch keine Untersuchungen vor.

Jedenfalls: der gleichnamigen Schreckensartikulation hat es bisher nicht geschadet.

Unfrankiert, wie ohne Absender und Adresse bahnt sich unser Ups weiterhin selbständig seinen Weg durch all die großen und kleinen Hindernisse, Fallen und Stolpersteine, die eben diesen Weg bedecken, wie Wellenkämme und Gischt ein stürmisches Wasserglas.

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2 Antworten zu ups!

  1. admin sagt:

    du hast recht, sylvia, huch! oder langgezogen huuuch! ist mir erst durch deinen Hinweis wieder gegenwärtig geworden, war glatt entfallen. Schon ungewöhnlich die Blumenkelchform, welche die Lippen dabei annehmen.
    Vielleicht auch eher ein weiblicher Schreckenslaut. Natürlich würden auch Männer, wenn sie könnten und dürften – aber so, wie die inneren und äußeren Umstände nun einmal beschaffen sind ….

  2. sylvia sagt:

    in diesem zusammenhang zu erkunden wäre womöglich auch noch der hauch vom „huch“. das huch, scheint mir, weil eben hauch, sich verflüchtigt zu haben zu gunsten des ups, englisch oops, kaum noch ist es zu erlauschen, das spitze oder gehauchte huch. das ist schon schade, aber vielleicht ist es auch einfach nicht mehr zeitgemäß?

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