Eckernlese

In diesem Jahr Bucheckern sammeln.

Es gab sie noch nie so reichlich.

Man liest sie in Becher oder Wannen und liefert sie dann

vielleicht  in einer Ölmühle ab.

Kuchen werden daraus gebacken, Ölkuchen und andere.

Sie schmecken zart, mehr nach Haselnuss als nach Olive, dann mit leicht bitterem Abgang.

Ihr Enthülsen ist mühsam und schwer.

Es gibt nur alle Jubeljahre ein wirkliches Bucheckernjahr.

Daher stellen Industrie, Handel und Haushalt nichts zur Verfügung in der Art eines Kartoffelmessers oder Nussknackers.

So muss man unbewaffnet an die einzelne Buchecker herangehen, um sie zu öffnen.

Mit einem Fingernagel einen der Falze ritzen, die von der runden Basis her kommen, nach oben zulaufen und sich in der Spitze treffen.

Grundform der Buchecker ist das Dreieck, das sich auf den drei Seiten wiederholt und dieses Gebilde, den Fruchtkern, als dreiseitige Pyramide schier unverwechselbar macht.

 

Es gibt auch Sammler, die sammeln wegen des Aussehens und lassen ungeschält.

Jede Buchecker nähert sich einem Ton, der zwischen Teakholz, Mahagoni und Kastanienbraun schwebt.

 

Manchmal findet ein Sammler beim Lesen im Wald Buchstaben zwischen den Bucheckern. Die Häufigkeit nimmt zu und ab mit Mond, Witterung und Herbststürmen.

Dies sind entzückenden Funde, die man unter Buchen machen kann:

sie zeigen sich auf dem in dieser Jahreszeit schwer zu entziffernden Waldboden, in einem vagen Dämmerlicht. Zwischen stacheligen Fruchthüllen und dazwischen zerstreuten Eckern scheinen sie auf und liegen herum, mit gewissen Pilzen vergleichbar, nur entschieden eindringlicher und vollständige Sätze bildend, bewegende Ausrufe, wogegen Pilze lieber stumm bleiben und über ihren Hexenring selten hinauskommen.

Aber keine Sorge:

auch ihre Zeit kommt irgendwann.img_2760_1.jpg

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