im Garten

Es geht auf den Herbst zu. Heute schon und vielleicht morgen erst recht, wer weiß.

Deswegen in den Garten, um die Laube seetüchtig zu machen.

Es geht auf kalte und nasse Tage zu, wie schon zu Noahs Zeiten, wer weiß.

Beim Aufmachen der Türe schlägt die abgestandene Nacht entgegen. Drinnen ist es immer sechs oder zwölf Stunden zurück. Wenn die Sonne geschienen hat, ist es hier warm bis tief in die Nacht hinein. Außen tiefschwarzes Braun, innen weiß getüncht. Ein Schilf- und Gebetsteppich hängt an der Wand. Aus Marokko vor fünfunddreißig Jahren. Auf Eisenfüßen eine Holzplatte, darüber ein dünnes Brokattuch. Zur Erwärmung gibt es einen Propanheizer von 1965. Stimmt’s?

Vor der Hütte im Garten auf und ab, Überlegungen:

von wo ist das her, wie sieht das Gras aus, der wolkenreiche Tag, das lose hängende, das bereits abgefallene Laub? ist schon der Atem zu sehen?

Vieles Gebüsch in diesem Garten kommt aus Sibirien, aus Balkan oder Schwarzmeergebieten,

hat dort seinen Namen gelassen. Vieles hat sich nach komplizierten Migrationen hierher verirrt und findet nun im hiesigen Exil zu einander. Das ist das Geheimnis eines jeden Gartens, dass zu einander kommt und zusammen lebt, was bis dahin weit weg, fremd und irgendwie kaum existent war.

Die Hütte muss seefest gemacht werden wegen der Tage, die kommen.

Dunkelheit und Winterstürme nahen und kündigen sich schon an, in der Karibik und über der Behringstraße. Irgendwann werden sie sich mit den dortigen Regionen nicht mehr begnügen.

Sie breiten sich über den Erdball aus. Niemand kann sie aufhalten. Die Wüsten und Trockenrisse auch nicht. Sie pflanzen sich fort, während das meiste, was an Veränderungen geschieht, seinen Lauf unsichtbar nimmt.

Haben wir jemals einen so schönen Sommer wie diesen gehabt, der nun schon Wochen hinter uns liegt? In seinem Kern liegt eine Verheißung: der kommende Sommer ist nur eine Handbreit von heute entfernt und durch unaufhaltsames Nahen fast genauso dicht dran wie der, der eben verging.

Im Gartenhaus die Holzläden aufgeklappt für das Licht, das demnächst mit den kürzer werdenden Tagen hereinfallen soll. Zwischen Holz und Glas Spinnweben, mit Staub und Fliegenhüllen darin. Eine abgestreifte Spinnenhaut gesellt sich dazu.

Staub auf den Scheiben, den der Wind, wenn er durch den Garten geht, aus den Gräsern und Büschen immer wieder hereingetragen hat. Hier liegt er nun, übers Glas der Scheiben gestreut, geschichtet, teils hellgrün, teils grau.

Nachgeschaut, ob der rollbare Heizkörper im Innern noch über eine Flasche verfügt. Ja, man hört es drin schwappen, das Gas, dumpf und kurzes Echo; bei leeren Flaschen ist es hallend und lang.

Im Licht, das durch die jetzt voll aufgeklappten Fenster herein scheint: ein vorsintflutliches Notebook. Es hat Krisen und Aussonderungsaktionen überlebt. Nun steht es vor einem drehbaren Stuhl in der Laube, mit diffusen Daten, Dateien und Programmen beladen. Eine Daten-Bank, ganz anders als die Bank, die an der Hüttenwand lehnt, mit verzogener Lehne und Brettern, aus denen die Schrauben heraus stehen.

Wie Harke, Spaten und Schere, so soll in den kommenden Zeiten auch der Rechner unterschiedliche Dienste versehen. Begleitende Aufgaben erfüllen, die denen dieser Geräte nicht nachstehen.

Ein Rechner hat natürlich mit anderen Materien, hat mit Gedanken und Zeichen zu tun.

Aber bei so hohem Alter, inwendig gleichsam bemoost, zugleich mit Gespenstern und Geistern, die auch in einem Garten nicht fehlen.

Ein Garten liefert Eindrücke, die es sonst nirgends gibt.

Deswegen der Rechner im Garten.

Allein der Kompost, die Kompostierungsanlage mit dem vergammelten

Fallobst und den Fladen aus abgeschnittenem Gras.

Das muss man umgraben, also her mit der Gabel und Stich für Stich aufgegabelt und

auf die andere Seite gedreht. Am besten jetzt und heute ans Werk, ehe der Igel sich eingräbt, der hier schon seit Jahren seinen Winterschlaf hält. 

PC und Ofen flott machen: das ist das Programm des heutigen Tages:

seefest:

das heißt, den Stürmen, dem Eisgang, den Brechern zu trotzen;

die Laube gleichsam fundieren, sie auf einem Hubschrauber, einem fliegenden Teppich oder auf dem Vorderdeck eines Eisbrechers anbringen, sie dort postieren, dass es sich darin bleiben und schreiben lässt wie in einem Wolkenschlossbett.

Wenn man sich die Füße in der Laubhütte vertreten will, geht man durch die Tür auf eine getafelte Terrasse. Zwischen den Fugen wachsen Sauerklee und Melden, weiß und rot gefleckt, in der Röte wie Rotkohl.

Hier kann man im Sommer liegen und Sommerschlaf halten.

Oder man hockt auf Tafeln nieder, aus Beton und Kieseln gegossen, rupft und zupft aus den Ritzen.

Nebenan ein kleiner Teich, kaum größer als ein Auge, eine mit Wasser gefüllte Mulde im Boden. Stehendes Wasser, dem an Regentagen Wasser aus den Tonnen zufließt. Es kommt vom Dach, aus den Wolken aufs Dach, vom Dach in die Rinne und packt  im Herabfließen tote Insekten, das eine oder andere vertrocknete Blatt. Dann strömt es ab, ab durch ein Rohr in wasserblaue Tonnen aus Kunststoff. Sie sind unter einander mit Gartenschlauchstücken verbunden, die hier dem Prinzip der kommunizierenden Röhren zu seinem Recht verhelfen sollen.

Der kleine Teich ist ganz nahe am Haus, am Zaun, unter der Weide, die schon unzählige Male abgebrochen und zurückgesägt worden ist. Sie wächst mit Eifer und hält zäh und unverdrossen die Stellung. In wenigen Tagen, wenn der erste Frost einmal eingesetzt hat, wirft sie ihre Blätter davon, die dann auf dem Haufen mit Kompost oder im Teich landen.

Jetzt gibt es Bewegung darin: viele Dutzend Larven, die sich durch Wellenschlag im ruhigen Wasser bewegen. Ab und zu steigen Blasen auf von dem Laub, das auf dem Wassergrund fault, gärt und Blähungen durchführt, die an der Oberfläche des Wassers zerplatzen.

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