unter zwischenherzschlägen

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Der Sommer ist entschieden.

Viele Blätter sind ins Kraut geschossen, aber jetzt werden sie gelb, rot und blau.

Sie fallen über dahinschießende Schienen, aus denen ein stahlblauer Glanz strahlt.

Dann kommt der Herbstwind, wie üblich, fegt beiläufig Laub ohne Getöse und Gebläse davon.

Wovor schützt Melancholie, welche Vorteile bietet Schwermut?

Worin besteht das Schlafvergnügen, und ist es ohne Träume größer als mit?

Fragen, die leicht in Verlegenheit bringen.

Guter Rat: in die Kammer tappen, im Brotkasten nach Kastenbrot tasten.

Brot leicht verschoben. Jetzt nicht mehr im Kasten.

Jetzt abgehoben und rund, in Scheiben schwebt es durchs Fenster davon.

Hoffnungen herrschen und schwinden,

Halluzinationen löschen und flackern dazwischen neu auf.

Hungrige Hände greifen nach neuen Mageninhalten, ziehen sich mit zappelnden Wesen ins Mageninnre zurück.

Heute flüchtige Vorstellung, dass ein Klotz aufs Gehirn drückt.

Beschwerde, die sich bis zum Herzen hin auswirkt. Mit unregelmäßigem Schlag geht es mühsamen Aufgaben nach. Gestörtes Pendel, eine Art stockender Fahrstuhl im Schacht.

 

Wenn man unter den Gedächtnissen wählen könnte, welches würde man wählen?

Was soll ein Gedächtnis, das an Dinge erinnert, die kurz oder lang schon vorbei sind?

Lieber Gedächtnis für zukünftige Dinge, auch wenn man weiß, es bringt Gewinn und Elend zugleich.

Gewinn, weil alle Lottozahlen vor ihrer Ziehung diesem Gedächtnis bekannt sind.

Elend, weil andere in der Erinnerung noch weiter voraus und am Glück noch näher dran sind.

Sie tippen einfach noch besser.

 

Ein Buch, in rötliches Leinen gebunden, in dem schlägt man nach.

Aufschlagebuch mit beidseitigen Blättern.

Es liegt da, flach auf dem Schoß,  vom Kopf auf die Füße gestellt.

(Kein Mensch steht von selbst auf den Füßen.

Um zu stehen, muss man gestellt worden sein)

Dann liest es sich:

„Tier, das in den Bäumen genagt hatte, springt auf die Oberlippe eines Elefanten, von der Oberlippe eines Elefanten auf die eines Walrosses. Dann hüpft es. Es landet unter der Nase eines Rhinozeros, wechselt über zum Nilpferd. Auf dessen Rücken nilaufwärts, ein Lotse auf der Kommandobrücke, bis zu den Quellen, wo es nicht mehr weiter geht.

Betrachtet die vorbeifließenden Ufer mit Schilf und Papyrus. Hier wächst der Stoff, aus dem die Bücher gemacht sind.“

Aus dem Tier wird ein Vogel. Kein Kranich, kein Ibis, und dennoch.

In seinem Schnabel kaut es mitgenommene Bucheckern, Nüsse, Gummibären, Oliven. Im Geschmack angenehm waldig, im Ausklang leicht fettig, unter Hinterlassung einer aromatischen Ölspur.

 

Cranach ist kein Kranich gewesen. Deswegen hat er gemalt.

Wenn ein Kranich Cranach sein könnte, würde er malen:

Rabenwitwen, die schwarzen Augen mit Tusche umzogen, die Häupter mit Schleiern verhängt. Elstern beim Balanzieren auf Elfenbeinkugeln, die aus einem Silberlöffel in den anderen rollen.

Das alles würde, ja müsste es malen, das verwandelte Tier, dabei von einem Herzschlag zum anderen hüpfend.

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