Im Traumraum

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gegen 21 Uhr

Zurück zu Träumen: das sind, heißt es im Talmud, Briefe, die geöffnet werden müssen. Sobald man sie geöffnet hat, kann man sie lesen, vorher nicht. Einen ungeöffneten Brief kann man gegen das Licht halten, man kann ihn nicht lesen. Diese Unlesbarkeit ist allen Träumen eigen, die bloß erinnert werden.Träume müssen geöffnet werden. Sonst sind sie vergessen oder  bleiben kryptisch, also in unzugänglichen Höhlungen des Bewusstseins, das unter allen Oberflächen ist. Sie haben mögliche Bedeutungen, die im ungeöffneten Zustand so verborgen bleiben, wie eine schwarze Katze im dunklen Innern eines schwarzen Sacks. Nach dem Aufwachen erinnert werden sie an die Hand genommen. Das Briefkuvert steckt zwischen Daumen und Zeigefinger, aber der Traum wird beim Öffnen an die Hand genommen. Es ist so, als ginge er nun weiter seines Weges, nach dem Aufwachen, und man macht sich ein Vergnügen daraus, nach dem Aufwachen ihn zu begleiten. Solange man Träume nur im Kopf erinnert, ist man weit entfernt davon, sie wirklich zu träumen. Ein Vorhang, eine Jalousie hängt zwischen Erinnern und Träumen. Hier helles Licht, von wo aus erinnert wird. Und je greller es ist, umso tiefer versinkt hinter dem Vorhang das Dunkel, in dem der abgespielte Traum unsichtbar fortspielt. Nacht und Schlaf bereiten den Träumen einen Raum, der sich von hinter dem Vorhang nicht hervorholen lässt. Anderes Bild: kontinuierlich vergehende Zeit hat nach dem Aufwachen weggerissen wie Meer, das ans Land bricht und Strandgut zurückholt, Stücke, die es dort angeworfen hat. Der Traumraum ist weg, irreversibel irreproduzierbar. Deswegen konsequent, eine Art Mitgehen ausdrückend, wenn beim Erinnern mitgeschrieben wird. Das alles passiert zwar auf anderen, auf unterschiedlichen Ebenen. Aber es findet dazwischen ein wechselseitiger Prozess statt, ein Vorgang fortlaufenden Abstimmens. Es setzt eine Parallelität ein, etwas wie Gleichgesinntheit, die stimmt. Bei der Verschriftlichung des Traumgeschehen geht es um Parallelisierung von Imagination und Intuition. Auf sehr unterschiedlichen, einander aber ergänzenden und begleitenden Ebenen werden sie auf einander bezogen. Hier haben sie die Möglichkeit, in simultanen Prozessen abzulaufen, also gleichzeitig zu leuchten und Schatten zu werfen.

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