Zeitjäger und Datensammler

15 Uhr

Den Versuch, ein Echtzeit-Tagebuch zu führen, eingestellt. Ding der Unmöglichkeit.

Es gibt zu viele Aufschübe, Unterbrechungen, Leerpässe.

Lebendig ja, aber Echtzeit muss nicht sein, gibt es gar nicht, jedenfalls nicht in Tagebuchform.

Beim Schreiben ist man immer weit hinter der Zeit her. Schon beim Notieren, bei der Bestandsaufnahme vor Ort tritt Verzögerung ein. Verzögerung und Verspätung fangen bereits in der Wahrnehmung an. Auch superschnelle stark beschleunigte Kameras können diesen Abstand nicht einholen. Die Schildkröte Wirklichkeit bleibt dem Schnellläufer Achill immer ein Stückchen voraus.

Um beim Schreiben nicht außer Atem zu geraten, ist es vielleicht gut, auf alle ehrgeizigen Echtzeit-Pläne zu verzichten und abzuwarten, bis die Zeit kommt, statt sie einholen zu wollen.

Dann kann es sein, dass man beim Umherstreunen, wie Ährenleser gebückt, Datensammler trifft. Sie bewegen sich allein oder in lockeren Gruppierungen.

Zeitjäger, von denen eben die Rede war, und Datensammler gehören derselben technoiden Kultur an, aber sie haben unterschiedliche Naturells, unterschiedliche Temperamente und daraus sich ergebende unterschiedliche Tempi und Gangarten. Datensammler sammeln unbekümmert um irgendwelche Aktualitätskonflikte. Sie geraten da vielleicht hinein, was morgen war, was gestern sein wird. Aber sie lassen sich in ihrem Sammeltrieb nicht beirren. Die Zeitkuppel, unter der sie leben, ist aus Glas wie eine Käseglocke. Sie lässt das Licht von allen Seiten hereinfallen. Die Luft steht still, sogar der Raum, in dem sie umherstreifen, steht gleichsam still. Die Endlichkeit unter der Kuppel ist für sie so unendlich wie für uns die Endlichkeit des Universums. Ein theoretisches, ein physikalisches  Faktum, aber berührt nicht, weil wir sowieso dort niemals ankommen, an den Horizont dieses Universums, Horizon aeternitatis, wo es einen als Zeitwesen unbarmherzig zurückwirft. Es geht dort eben einfach nicht weiter.

Für Wesen, die auf der Oberfläche einer Kugel wohnen, gibt es nirgendwo Ende oder Anfang, es sei denn, dergleichen würde einhellig/einstimmig vereinbart. So herrscht auch unter der Kuppel, die sich über die Datensammler wölbt, ein ewiger Tag, ein unendlicher Raum.

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